Historische Theologie

Hans Ulrich Reifler: Frederik Franson

Hans Ulrich Reifler: Frederik Franson. Weltbürger und Missionsstratege, Nürnberg: VTR, 2021, Pb., 376 S., € 30,90, ISBN 978-3-95776-096-8

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Der pensionierte Dozent für Missionswissenschaft am Theologischen Seminar von St. Chrischona hat während seiner aktiven Dienstzeit Monografien und Kompendien in mehreren Sprachen veröffentlicht, besonders im brasilianischen Portugiesisch. Nach umfangreichen Vorarbeiten erscheint jetzt als vorläufiger Abschluss und Höhepunkt von Reiflers publizistischer Arbeit seine Dissertation über den schwedisch-amerikanischen Missionar Frederik Franson (1852–1908) auf Deutsch. Die Untersuchung wurde 2018 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät als PhD im Fachbereich Theology and Religious Studies angenommen.

In seinem vorangestellten „Abstrakt“ (Abstract, Zusammenfassung, S. 3, unpag.) stellt Reifler heraus, dass Franson als Mitarbeiter von Dwight L. Moody als erster Missionar ausgesandt wurde. Aus F.s Arbeit entstanden viele Gemeinden, dreizehn Glaubensmissionen und sechs evangelische Gemeindeverbände! Ziel von Reiflers Untersuchung ist es, Fransons Missiologie auf dem Hintergrund seiner Eschatologie, Missionsmethodik und seiner transnationalen Vernetzung zu verstehen und ihre Auswirkungen bis in die Gegenwart zu verfolgen.

Nach einem Geleitwort des Liebenzeller Missiologen Bernd Brandl (5f) und einem ausführlichen Verzeichnis des Inhalts und der Illustrationen (7–20) erklärt der Verfasser (1. Kap., Einleitung, 23–39), warum er sich mit dieser „führenden Gründergestalt der Glaubensmissionen“ beschäftigt (23). Über die Geschichte der Glaubensmissionen wurde zwar seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geforscht. Über Franson gibt es bisher aber erst eine englischsprachige wissenschaftliche Untersuchung von Edvard P. Torjesen aus dem Jahr 1984 (29). Torjesen leitete zwischen 1981 und 1991 fünf Franson-Konsultationen, auf denen die Wirkungsgeschichte des Missionars thematisiert wurde (32). Nachdem die missionspraktischen Fragestellungen also gut erforscht sind, wendet sich Reifler in seiner Dissertation der Entstehung von Fransons Eschatologie und Missionsmethodik auf dem Hintergrund der Industrialisierung und neuer Quellenfunde zur Biografie zu (32–34).

In seinem zweiten Kapitel „Leben und Wirken Fransons im Überblick“ (40–114) zeigt Reifler, wie Franson zum Weltreisenden in Sachen Evangelisation und Mission wurde. Aufgrund einer Wirtschaftskrise und der damit verbundenen Not emigrierte Fransons Familie 1869 in die USA. Nach seiner Bekehrung (50) arbeitete er als Laienprediger und begann ab 1975, als Evangelist an D. L. Moodys Institut mitzuarbeiten und selbständig Evangelisationen durchzuführen (51). Aus dieser Arbeit entstanden freie Gemeinden jenseits bestehender denominationeller Orientierungen (53) Vom Juni 1881 an weitete Franson seine Evangelisationsreisen auch nach Europa aus (54ff). Reifler illustriert mit zahlreichen Karten sehr schön, welche Orte der Missionar besuchte und welchen wichtigen Personen er begegnete. Bei seiner ersten Deutschlandreise 1885–1886 fanden auch die ersten „Nachversammlungen“ hierzulande statt (64). Auf der dritten Deutschlandreise wurde 1889 die Deutsche China-Allianz-Mission gegründet (80f). Umstritten war in FEG-Kreisen, dass Franson bei seinen Evangelisationen Frauen Aufgaben übertrug, bis hin zur öffentlichen Verkündigung und Lehre (82). In den Jahren 1892 bis 1895 machte sich Franson auf eine Weltreise, die ihn auch erstmals nach Asien führte (90f). Seine zweite Weltreise begann 1902 und dauerte sechs Jahre (100f). Durch weltweite Kontakte und Zusammenarbeit mit allen Denominationen wurde er zum „Vater der vernetzten Mission“ (109). Möglichst viele Gläubige sollten für die Missionsarbeit angesichts der unmittelbar bevorstehend erwarteten Wiederkunft Christi mobilisiert werden (115).

Fransons Eschatologie (Kap. 3, Zur Eschatologie in der Mission Fransons, 115–176) ist von Hause aus lutherisch geprägt, wird aber zunehmend von Dispensationalismus und starker Naherwartung bestimmt. Hier spielen die Lehre von John N. Darby und die Teilnahme an „Prophetischen Konferenzen“ eine wichtige Rolle (117, 121). Franson bedient sich der Zahlensymbolik und seiner „Himmelsuhr“, die die Zeichen der Zeit erkennen lässt (136f). Das Weltende deutet er nicht primär als Weltuntergang, sondern als Rückeroberung und Befreiung der Erde durch die Gottesherrschaft, die Christus aufrichtet (140). Sehr detailliert kann er die verschiedenen Gerichtsereignissen in ihrer Abfolge darstellen. Über den Zeitpunkt der Parusie Christi nimmt er an, dass man in seiner Zeit „in den letzten Stunden der letzten Tage“ lebt (162f). An einigen Stellen vermischt Franson Heilsgeschichte und Zeitgeschichte, so z. B. bei seiner Interpretation des Baus der Bagdad-Eisenbahn (167).

Die Missionsmethodik in der Missionspraxis und im Missionsdenken Fransons spielt im missionarischen Bemühen um Menschen bis in die Gegenwart eine Rolle (4. Kap., 177–221). Durch Fransen kamen Massenevangelisationen (182f) mit Nachversammlungen für Neubekehrte (185f, 212f) nach Westeuropa. Auf seine Aktivitäten lassen sich die gesungene Verkündigung (187f), Evangelisationskurse (188f), Einführungskurse in das evangelistische Arbeiten, Bibelkurse (191f) und Veranstaltungen zur Festigung der Gläubigen, Studentenmission (192f), Missionsgebetsveranstaltungen(193f) Heilungsversammlungen (210f) und Vorbereitungskurse für zukünftige Missionare (194f) zurückführen. In der nicht-westlichen Welt (195–209) wurden Massentaufen (202f) und der in der baldigen Wiederkunft Jesu begründete und von Hudson Taylor übernommene Einsatz von Männern und Frauen für die Sache von Mission und Evangelisation wichtig (206–208, vgl. 215f). Kritik an diesen Missionsmethoden blieb nicht aus. Einer der prominenten Kritiker war der bekannte FEG-Leiter Heinrich Neviandt (209f). Bemängelt wurde auch die fehlende Ausbildung der Missionare und fehlenden Bekenntnisbindung der Mission (215f). Die Glaubensgrundlage der Allianz oder auch heutzutage die Lausanner Verpflichtung können – gegen Reifler – nicht als „Bekenntnistexte“ im klassischen Sinn, sondern besser als Theologische Erklärungen verstanden werden.

Auf der Basis der Erweckungen im 19. Jahrhundert und der internationalen Heiligungsbewegung wird transnationale Vernetzung für die Missionspraxis und das Missionsdenken Fransons grundlegend (5. Kap., 222–270). Dies war nur auf dem Hintergrund der Zeitgeschichte des 19. Jahrhunderts möglich: Politik (239), Vernetzung in der Wirtschaft (249), Dampfschifffahrt und Ausbau der Eisenbahnnetze (254f, 257f), Kommunikation: Briefpost, Telegrafie (261f) und Handelsgesellschaften (266). Die Mission leistete selber einen Beitrag zur internationalen Vernetzung in Kultur und Bildung (264f).

Im Unterschied zu anderen Missionsleitern aus der Heiligungsbewegung und den Glaubensmissionen (J. H. Tayor, H. G. Guinness, A. B. Simpson, C. T. Studd, H. K. W. Kumm) bleibt Franson als Evangelist unabhängig (Kap. 6, Verdienste und Grenzen Fransons im Kontext der neueren Missionsgeschichte und -theologie, 271–316). Er hat sich besonders um die Etablierung von Nachversammlungen, den Bildungsauftrag und das selbstverständliche sozialdiakonische Engagement sowie die Gründung von Glaubensmissionen und freikirchlichen Gemeindeverbänden verdient gemacht (298–302). Hans-Ulrich Reiflers Bibliografie belegt, wie umfangreich die gesichteten Quellen und die zitierte mehrsprachige Sekundärliteratur sein müssen, um dem bewegten internationalen Leben von Frederik Franson gerecht zu werden (326–366). Die Bedeutung der neuen Eisenbahn- und Schiffswege, der Kommunikationsmittel und der Kanäle wie Panamakanal und Suezkanal für missionarisches Reisen, Postverbindungen und Entscheidungsfindung der Missionsleitung in der Heimat wäre es wert, separat untersucht zu werden! So steht es auch um international beliebte Konferenzredner und Publizisten (wie Frederick Brotherton Meyer), deren Wirkung auf die deutsche pietistische und freikirchliche Community nicht unterschätzt werden sollte.


Pfarrer Dr. Jochen Eber, Margarethenkirche Steinen-Höllstein